365 Tage Katastrophe in Japan

Mahnwache gegen das Vergessen!

am 10. März 2012 an der Ecke Münsterstraße / Ravensberger Straße

von 10 bis 12 Uhr

Hintergrundinfos:

Der Super-GAU im japanischen Fukushima ist aus den Schlagzeilen verschwunden. Vorbei ist die Katastrophe deswegen noch lange nicht. Im Gegenteil: Das Ende ist nicht absehbar.

Die Katastrophe

Am 11. März 2011 erschüttert ein starkes Erdbeben die Ostküste Japans. Im AKW Fukushima-Daiichi laufen zu diesem Zeitpunkt drei der sechs Reaktoren. Alle drei geraten außer Kontrolle. Kühlsysteme und Stromversorgung fallen aus, die Brennstäbe im Kern der Reaktoren beginnen zu schmelzen. Mehrere Explosionen zerfetzen die Reaktorgebäude. Bis heute ist unklar, ob es sich um Wasserstoff- oder um nukleare Explosionen handelt. Das Containment, also die Betonumhüllung des Reaktorkerns, bekommt Risse. Auch in Reaktor Nummer vier kommt es zu einer Explosion. Die Becken mit hochradioaktiven, abgebrannten Brennelementen liegen unter freiem Himmel. Das Wasser darin verkocht, weil die Kühlung nicht mehr funktioniert, zum Teil lecken sie. Mit Feuerwehrschläuchen und Pumpen versuchen Rettungsmannschaften unter Inkaufnahme hoher Strahlendosen, Brennelemente und das Innere der Reaktoren zu kühlen.

Der Strahlendreck
Schätzungen der japanischen Atomaufsicht zufolge setzt der Super-GAU in Fukushima eine Strahlungsmenge zwischen 500 und 1.000 Billiarden Becquerel (Jod-131-Äquivalent) frei. Das wäre ein Zehntel bis ein Fünftel der Menge, die 1986 bei der Explosion des ukrainischen AKW Tschernobyl in die Umwelt gelangte. Auf der INES-Skala zählt Fukushima als „katastrophaler Unfall“ der höchsten Stufe 7, der gesundheitliche Spätschäden im weiten Umfeld und in mehreren Ländern erwarten lässt.

Im Verlauf der Katastrophe und der Rettungsarbeiten fließen Tausende Tonnen zum Teil hochradioaktives Wasser in den Pazifik. Mehrfach lässt AKW-Betreiber TEPCO zudem radioaktiven Dampf aus den Rektoren ab, um deren Bersten zu verhindern. Einen Teil der radioaktiven Wolke bläst der Wind aufs Meer, der Rest zieht in einem Bogen über Japan hinweg. Selbst im 240 Kilometer entfernten Tokio findet sich radioaktives Jod im Trinkwasser. Monate später sind noch immer Nahrungsmittel kontaminiert, Kontrollen finden nur stichprobenweise statt. Wissenschaftler warnen, dass gerade die Aufnahme radioaktiver Stoffe in den Körper eine große Gesundheitsgefahr darstellt.

Die Flüchtlinge
Am Morgen des 12. März ruft die Regierung die Bewohner im 20-Kilometer-Umkreis um das AKW auf, zu fliehen. Viele fahren genau dorthin, wohin die radioaktive Wolke weht. In Flüchtlingslagern spielen Kinder im radioaktiven Fallout. Wochen später legt die Regierung auch den Menschen im 20–30-Kilometer-Gürtel um das AKW eine Flucht nahe. Diese Empfehlung hebt sie sechs Monate später wieder auf; die 20-Kilometer-Zone bleibt auf unbestimmte Zeit gesperrt. Von 100.000 wegen des Atomunfalls Evakuierten spricht die FAZ.

Messungen zeigen, dass die tatsächlich kontaminierte Zone weit größer ist als der 30-Kilometer-Ring um das AKW – siehe Karte. Zigtausende haben, um Gesundheitsschäden zu entgehen, auf eigenen Entschluss und ohne Aussicht auf Entschädigung Haus und Heimat verlassen. Die Zahl der Strahlenflüchtlinge dürfte also weit höher liegen als amtlich angegeben.

Die Zahlmeister
Theoretisch haftet auch in Japan der Betreiber eines AKW für alle Schäden. Praktisch steht selbst ein Riesenkonzern wie TEPCO nach dem Super-GAU vor der Pleite. Die Folge: Die Milliarden-Kosten für die Sicherung der Katastrophenmeiler, die Dekontamination der verseuchten Gebiete, die Entschädigung für Zwangsumzüge, für Verlust von Haus, Betrieb, Arbeitsstelle und vielem mehr bleiben ebenso wie die Gesundheitskosten an der Allgemeinheit hängen

Die Shutdown-Lüge
Kurz vor Jahreswechsel verkündet die Regierung den sogenannten „cold shutdown“ aller drei Havariemeiler: Die Temperatur im Innern liege nun unter 100 Grad. Tatsächlich bezeichnet „cold shutdown“ allerdings einen kontrolliert heruntergefahrenen, intakten Reaktor. Mit dem Zustand der Meiler in Fukushima hat das in etwa so viel zu tun wie die Meldung „eingeparkt“ für einen Benzinlaster, der gegen einen Baum geprallt ist und jederzeit in die Luft fliegen kann.

Tatsächlich hat sich die heiße Uranmasse jeweils durch die dicke Stahlwand des Druckbehälters hindurch in den Betonboden des Containments geschmolzen. In welchem Zustand sie sich befindet, weiß niemand. Noch immer tritt Radioaktivität aus. Und die Gefahr einer neu startenden Kettenreaktion ist noch lange nicht gebannt.

(Quelle: .ausgestrahlt)